Das liebe Geld und der böse Chef: Es gibt Gespräche, die machen als Führungskraft nicht immer Spaß.Bild: vektorpocket / shutterstock
Der Chef ganz ehrlich
Swen ist Chefredakteur von watson. Er findet seinen Job so intestine, dass er auch noch eine Kolumne über ihn schreibt. Hier berichtet er von schönen, traurigen und kuriosen Erlebnissen.
Vor einiger Zeit lief ich mit meiner Stellvertreterin Ronja am Ende des Arbeitstags in Richtung Feierabendbier. Ich hatte gerade ein anstrengendes Personalgespräch beendet, in dem das Gegenüber auch über eine Gehaltserhöhung reden wollte.
Die Individual hatte ein paar Argumente im Köcher, doch sie merkte, dass ich den Wünschen (zumindest) nicht (gänzlich) würde nachkommen wollen. Additionally holte sie zum finalen Argument aus: “Aber ich weiß, dass mein:e Kolleg:in auch so viel verdient.”
Eine halbe Stunde später blinzelte ich in die Sonne und sagte zu Ronja: “Ich weiß nicht so recht, wie ich es finde, wenn Kolleg:innen miteinander über ihr Gehalt sprechen.” Sie schaute mich fragend an: “Verhindern kannst du es eh nicht. Und eigentlich ist es doch intestine, wenn sie sich gegenseitig vertrauen. Wichtig ist für uns, dass wir gute Argumente haben, wenn das passiert. Und die hattest du doch.”
Ich nickte. Und ja, Ronja hatte recht. Doch so wirklich losgelassen hat mich das Thema seither nicht. Weil es vielschichtig ist.
Tür zu, Mund auf: In Mitarbeitergesprächen geht’s oft auch ums Gehalt.Bild: unsplash / charles deluvio
In der Tat habe ich in der Theorie keinerlei Probleme damit, wenn Menschen über Geld sprechen. Ich mache das mit ausgewählten Menschen auch. Und ich hätte, von den Protesten der Datenschutzbeauftragten einmal abgesehen, überraschend wenig Bauchschmerzen, die Gehaltstabelle meines Groups bei uns an die Wand zu tackern.
Ich finde, dass wir in neun von zehn Fällen ein faires Gehaltsgefüge geschaffen haben. Und die restlichen zehn Prozent sind am Ende wohl nie gänzlich zu verhindern. Auch wenn wir versuchen werden, die ebenfalls noch glattzuziehen.
So haben sich die Nettolöhne im Durchschnitt in Deutschland entwickelt.Bild: Statistisches Bundesamt / Statista
Als Führungskraft geht’s bei der Erhöhung von Gehältern ja, zumindest ist das meine Sicht, darum, ein faires Gesamttableau zu schaffen, in dem zwei Fragen eine zentrale Rolle spielen: Wer verdient wie viel und passt das im Verhältnis zur Individual hyperlinks und rechts daneben? Und wer hat sich eine Erhöhung aufgrund guter Leistungen am meisten verdient?
Denn seien wir ehrlich: Du wirst als Chef nie allen Leuten, die mehr Geld wollen, auch mehr Geld geben können.
Aus dem Leben einer Führungskraft
Ein Drawback bleibt: Das, was ich als Chef als truthful empfinde, müssen die Kolleg:innen nicht auch so sehen. Allein schon, weil jede:r einzelne Faktoren unterschiedlich bewertet: Welche Rolle sollte die Erfahrung bei der Bezahlung spielen? Geht es nur um Leistung oder auch um Betriebszugehörigkeit? Wie wichtig ist mein Posten im Vergleich zu anderen?
Während ich das schreibe, merke ich: Das Thema Gehalt wird in dieser Kolumne sicherlich noch einmal zur Sprache kommen.
Was ich aber schon hier ausführen möchte, ist, dass es mir in der Tat wichtig ist, dass die internen Verhältnisse möglichst truthful austariert sind. Nicht nur, weil ich selbst einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit habe. Sondern auch, weil mir bewusst ist, dass die Gen Z und die jüngere Hälfte der Gen Y, und nur aus diesen Menschen besteht mein Group, deutlich offener über Kohle reden als die Era ihrer Eltern. Und wenn dann ein Gespräch wie das eingangs erwähnte zu führen ist, muss ich Argumente haben.
“Honest ist für mich nicht zwangsläufig, wenn alle Kolleg:innen auf vergleichbaren Posten exakt den identischen Betrag verdienen.”
Eines dieser Argumente ist: Honest ist für mich nicht zwangsläufig, wenn alle Kolleg:innen auf vergleichbaren Posten exakt den identischen Betrag verdienen. Denn dann hätte eine Führungskraft nicht mehr die Möglichkeit, Menschen, die mehr leisten (wollen), die bessere Arbeit machen als andere oder die aufgrund ihrer Erfahrung einfach (im Second noch) mehr Impression auf den Gesamterfolg haben, monetär dafür zu belohnen.
Über Geld spricht man nicht? Teile der Gen Z sehen das ganz anders. Und das ist auch völlig in Ordnung. Bild: unsplash / marc spiske
Damit schließt sich der Kreis zur eingangs formulierten Scenario: Wenn eine Individual vor mir steht und mir sagt, sie wolle mehr Geld, weil andere Kolleg:innen auch mehr bekommen, wird es in erster Linie nicht für mich, sondern auch für Mitarbeitende womöglich unangenehm.
Natürlich dürfen Menschen mit ihren Kolleg:innen über Geld sprechen. Es ist nur legitim, zu überprüfen, ob sie von mir nicht doch über den Tisch gezogen werden. Auch wenn ich natürlich hoffe, dass meine Mitarbeitenden mehr und mehr erkennen, dass ich das nicht mache.
Neu: dein Watson-Replace
Ihnen muss nur bewusst sein, dass ich erstens nicht explizit mit ihnen über das Gehalt anderer sprechen kann, weil sich das als Führungskraft nicht gehört; ich mir aber zweitens durchaus Gedanken gemacht habe, warum andere Menschen im Unternehmen mehr verdienen als sie.
Was ich ihnen dann, wenn ich darauf angesprochen werde, in aller Ehrlichkeit begründen muss. Nur wer diese Ehrlichkeit verkraftet und an den Argumenten auch wirklich interessiert ist, sollte das Fass auch aufmachen.
Wenn’s intestine läuft, ergibt sich daraus ein sinnvoller Entwicklungsplan, der für beide Seiten befruchtend sein kann. Schließlich weiß die Individual dann, was ihr noch fehlt, um beim Gehalt den nächsten Schritt zu machen. Wenn’s allerdings schlecht läuft, sind Mitarbeitende anschließend gekränkt. Das hilft ihnen nicht. Und mir auch nicht.
Grundsätzlich würde ich aber immer raten: Konzentriert euch darauf, ob ihr mit eurer eigenen Bezahlung zufrieden seid. Und wenn ihr wirklich mehr Gehalt verdient habt, dann habt ihr mit Sicherheit auch bessere Argumente als die Kohle der anderen.