Mit sehr viel Werbegeld lancierte Postfinance 2019 die Marke Valuu. Es sollte die grösste Hypothekenplattform der Schweiz werden. Das Projekt wurde zum Fiasko.
Eine junge Frau liegt am Pool, auf den Knien hat sie einen Laptop computer, daneben steht griffbereit ein Cocktail. Bei der Lancierung ihrer Hypothekenplattform Valuu vor fünf Jahren battle Postfinance jedes Klischee recht, um ihr neues Angebot bekannt zu machen.
Der Werbespot hatte eine einfache Botschaft: «Hypothek abschliessen, sogar bequem von zu Hause aus.» Der ganze Prozess laufe «digital», hiess es, daher lägen die Zinsen in der Regel unter dem Marktniveau.
Dass die Frau am Pool wirklich gerade einen Immobilienkauf einleitet, schien schon damals recht unwahrscheinlich. Auch am Markt bewährte sich das Projekt nicht: Vor kurzem zog Postfinance der Marke Valuu diskret den Stecker. Die erfolglose Plattform geht in einem Konkurrenzangebot auf – und die staatliche Financial institution bleibt auf Verlusten in zweistelliger Millionenhöhe sitzen.
Das Scheitern von Valuu markiert das jüngste Kapitel des seit 20 Jahren andauernden Versuchs von Postfinance, im lukrativen Hypothekengeschäft Fuss zu fassen.
Die Strategie dahinter
Die ersten Projekte von Postfinance im Hypothekenbereich reichen zurück bis ins Jahr 2003, als sie in Zusammenarbeit mit der UBS «gelbe Hypotheken» vertrieb. Ab 2008 arbeitete sie mit einem Münchener Anbieter zusammen. Richtig zum Fliegen kam keines der Projekte. Mit Valuu wollte es Postfinance 2019 endlich schaffen.
Die Verantwortlichen bei der Submit-Tochter wollten das Erfolgsmodell der deutschen Hypotheken-Vermittlungsplattformen kopieren. «Das Geschäft versprach vor einigen Jahren noch ein sehr hohes Wachstumspotenzial», sagt Andreas Dietrich, Professor für Banking an der Hochschule Luzern (HSLU). In Deutschland wurden damals schon über 40 Prozent der Hypotheken über Dealer und Plattformen abgewickelt, während es in der Schweiz bis jetzt nicht einmal 5 Prozent sind.
Es gab aber Skeptiker. Manche Stimmen sahen das ambitiöse Vorhaben von Beginn weg zum Scheitern verurteilt. Adrian Wenger vom VZ Vermögenszentrum sagt: «Für Aussenstehende battle völlig unklar, wie dieser Enterprise-Case funktionieren soll.» Die Margen im Vermittlungsgeschäft seien viel zu tief.
Die umfangreichen Investitionen für Valuu hätten sich, wenn überhaupt, nur für den Fall gerechnet, dass Postfinance später selbst eigene Hypotheken über das Vertriebsnetz von Valuu hätte platzieren können, sagt Wenger.
Das allerdings stellte keine Choice dar. Obwohl die Tochtergesellschaft der Submit über eine Banklizenz verfügt, ist es ihr untersagt, selbst Kredite anzubieten. Bei den Hypotheken ist das Finanzinstitut auf die reine Vermittlung beschränkt. Für das weitaus lukrativere Geschäft der Hypothekenfinanzierung – das klassische und ertragsstarke Bankgeschäft – battle sie stets auf Kooperationen angewiesen, insbesondere mit Banken und Versicherungen.
Verschwindend geringe Einnahmen
Am Ende hat Postfinance mit Valuu kaum Geld eingenommen. Zwar konnte die Plattform zwischen Anfang 2019 und August 2021 Hypotheken im Volumen von 500 Millionen Franken vermitteln. Bei einer angenommenen Marge von 0,1 Prozent generierte man damit über zweieinhalb Jahre aber gerade einmal Einnahmen von 500 000 Franken.
Das reichte nicht ansatzweise, um die Kosten zu decken: Die Gesamtkosten für Valuu dürften sich auf geschätzte 50 Millionen Franken belaufen haben. Im Jahr 2021 beschäftigte Valuu rund 50 Mitarbeitende.
Neben den Personalkosten kamen viele weitere Auslagen dazu für Beratung, IT, ein eigenes Callcenter und Administration. Hinzu kamen die Marketingkosten: «Im Hypothekenbereich ist vor allem die Werbung ausgesprochen kostspielig», sagt Dietrich. Gewisse Schlüsselwörter in Suchmaschinen wie «Hypothek» oder «On-line-Hypothek» sind sehr kompetitiv und entsprechend teuer. Auch die erwähnten anderen Werbemittel, inklusive TV-Spots zur besten und teuersten Sendezeit, belasteten das Funds.
Valuu wuchs nicht schnell genug, um je erfolgreich werden zu können.
Geschätzte Kosten: 50 Millionen Franken
Nun hat Postfinance entschieden, das Projekt ohne grosses Aufsehen auslaufen zu lassen. Dies geschah schrittweise: Ab Juni 2023 richtete sich die Plattform nicht mehr an die breite Öffentlichkeit. Unter dem Namen «Valuu Professional» wurde sie zu einem reinen Enterprise-to-Enterprise-Projekt umstrukturiert, wobei vor allem kleinere Dealer über die Plattform Finanzierungspartner für Hypotheken finden konnten.
Kurz darauf machte die Financial institution publik, dass sie die Rechte an Valuu der Zürcher Firma Credit score Alternate (Credex) übertragen hatte. Im April 2024 wechselte Valuu erneut den Besitzer – diesmal zur Thurgauer Kantonalbank (TKB).
Damit battle das Schicksal der Plattform besiegelt: Die Marke Valuu verschwindet und geht in der von der TKB betriebenen Plattform Brokermarket auf. Die Web site Valuu.ch, die so intensiv und teuer beworben wurde, ist seit letzter Woche offline.
«Es ergab keinen Sinn, sowohl Valuu als auch Brokermarket parallel zu führen», begründet eine Sprecherin der TKB die Einstellung. Über den gegenwärtigen Preis der Marke Valuu haben die Parteien Stillschweigen vereinbart. Es dürfte nicht viel gewesen sein, da das Vermittlungsgeschäft eben nur eine kleine Nische darstellt. Bei der Ostschweizer Financial institution werden weniger als ein Prozent der Hypotheken über die digitale Plattform abgewickelt.
Postfinance will sich auf Anfrage nicht zur Einstellung äussern: Man habe Valuu «aus geschäftspolitischen Gründen» verkauft und wolle dies nicht weiter kommentieren. Das Hypothekargeschäft werde aber weitergeführt, und zwar mit den Kooperationspartnern Münchener Hypothekenbank, Valiant und der Plattform Credex.
Andere Hypothekenvermittler wie die von der Helvetia zu 70 Prozent übernommene Firma Moneypark mussten die gleiche Lektion lernen wie Postfinance.
Vergangenes Jahr verordnete Helvetia dem Finanzdienstleister und Hypothekenvermittler ein hartes Sparprogramm. Die Kosten mit bis zu 300 Mitarbeitenden und einem schweizweiten Filialnetz waren gemessen an der Ertragskraft mit Vermittlungsprovisionen schlicht zu hoch. Hinzu kommt, dass mit dem Ende der Tiefzinsphase 2022 der Growth im Immobilien- und Hypothekargeschäft vorbei battle.
Die Veränderungen betreffen auch die Mobiliar, die ihr digitales Projekt Liiva («für alles rund um Wohneigentum») aufgibt. Diese Plattform wird am 25. Juli abgestellt. Auch hier es nicht gelungen, das Projekt profitabel zu machen.